Heute ist der Starttag meiner Herbsttour. Es ist aber wieder einmal anders gekommen als ursprünglich geplant. Eigentlich wollte ich von Genf das Rhone-Tal bis nach Arles durchfahren, aber Corona (Südfrankreich ist von der Schweiz als Quarantäne-Gebiet eingestuft worden) und das schlechte Wetter verhinderten diese Pläne. Deshalb werde ich nun in drei Tagen von Genf nach Zürich fahren.
Der Tag beginnt aber nicht gut. Als ich um 8 Uhr in Genf meine Navi-app Komoot starten will, erlebe ich eine böse Überraschung: Die app ist nicht auffindbar auf meinem Handybildschirm. Das gibt’s doch nicht, denke ich, ich hab sie ja nicht gelöscht. Als ich sie über den App-Store neu laden will, geht das auch nicht. Ohne Navi bin ich aufgeschmissen. Ich versuche ruhig Blut zu bewahren und schaffe es schliesslich über eine Update auf die aktuelle iOS-Systemsoftware die App wieder zu installieren. Ich versumme (= verplempere) dabei aber eine geschlagene Stunde! Statt um 08.15 kann ich erst um 09.15 Uhr losfahren. Zum Glück regnet es nicht, aber es ist ziemlich grau in grau und recht frisch.
Bis Rolle fahre ich dem Genfersee entlang. Es geht der Seestrasse entlang, meist auf Fahrradstreifen. Das ist nicht spektakulär und den See sieht man selten. Villen mit hohen Hecken und Zäunen versperren die Sicht.
Bei Coppet mache ich die ersten Bilder. Taucher schicken sich an, im Genfersee zu tauchen. Das wäre nichts für mich; da bleib ich lieber beim Fahrrad!
Nach ca. 2 Stunden Fahrzeit erreiche ich Nyon. Dort ist der Hauptsitz der UEFA. Das muss ich natürlich festhalten:
Wenig später fahr ich durch die Altstadt dieses Städtchen. Er ist noch sehr ruhig hier an diesem Samstagmorgen.
Ich fahre aber schnell weiter, die Etappe ist ziemlich lange heute und ich habe ja so viel Zeit verplempert am Morgen.
In Rolle würde ich gerne einen Kaffee trinken, finde aber nichts Passendes und so geht’s halt ohne Koffein-Schub weiter. Die Strasse steigt nun kräftig an – der Weg führt mich in die Weinberge oberhalb von Rolle.
Schade ist die Weinernte schon vorbei – die Staren haben die Trauben-Reste auch schon ratzekahlgefressen, nur einen tiefhängenden Trauben entdecke ich noch – mmh, schmeckt lecker.
Als ich zurückblicke, präsentiert sich der Genfersee silbergau. Und unglücklicherweise beginnt es nun auch zu regnen. Wohl oder übel streife ich meine Regenkleidung über, ich will ja nicht nass werden.
In der Folge fahre ich nun auf einem Höhenweg durch Ortschaften, die ich bisher nur als Weissweinnamen kannte: Féchy, Lavigny, Vufflens-le-Chateau sind dabei die bekanntesten.
Es gibt kaum ein ebenes Stück Strasse hier oben; das macht das Fahren ziemlich mühsam, vor allem auch, wenn man noch Regenkleidung an hat. Nach einer Weile verlasse ich die Weinberge und komme nun in ziemlich ländliches Gebiet. Ich treffe auf eine Schweineherde, die Tiere wühlen im Freien im Dreck nach Nahrung. Ich frage, mich ob das jetzt glückliche Schweine sind. Sie machen jedenfalls einen ganz zufriedenen Eindruck, während ich sie beobachte.
Das Wetter ist nun merklich besser, es hat wieder aufgehört zu regnen und im Hintergrund sieht man die Schneeberge der Alpen. Ich bin nun mit dem besseren Wetter auch wieder besser gelaunt.
Als ich mich Yverdon nähere, verlässt die Veloroute die Autostrasse und zweigt auf ein kleineres Nebensträsschen ohne Autoverkehr ab. Das gefällt mir nun viel besser. Inzwischen scheint sogar die Sonne und wärmt meine unterkühlten und auch ein wenig schmerzenden Beine.
In Yverdon war ich vor 4 Jahren mit einer Schulklasse auf Klassenlager und kenne deshalb diese schöne, am Südende des Neuenburgersees gelegene Stadt schon ein wenig. Ich schlendere durch die Altstadt und mache eine Foto:
Nun kommt der schönste Abschnitt der heutigen Tour. Ich fahre am rechten Seeufer des Neuenburger Sees entlang, zuerst auf einem schönen Veloweg entlang der Strasse, danach auch manchmal dem See entlang, wo ich bei Yvonand einen wunderbaren Blick auf den See habe.
Als ich wenig später durch ein Schilfgebiet fahre, versperrt mir eine umgestürzte Esche den Weg.
Ist nicht weiter schlimm. Die letzten Kilometer bis zum Etappenziel sind zum Geniessen. Ich mache deshalb wieder mal ein Schattenselfie.
Es ist nun nicht mehr weit bis zu meinem Etappenziel Estavayer-le-lac. Um 17.30 Uhr treffe ich in diesem schönen Städtchen ein:
Das Hotel, in dem ich übernachte, ist ziemlich luxuriös, in meinem Badezimmer hat’s sogar einen Whirlpool – den werde ich bestimmt ausprobieren nach dem Essen.
Gesagt getan. Eine schöne Etappe findet nach harzigem Start ein entspannendes Ende. – Aber halt, ich muss noch den täglichen Blog schreiben…
Fakten Day 1: Genf – Estavayer
Strecke: 110 km
Fahrzeit: 7 Std. 24
Durchschnittsgeschw.: 14.9 km/h
bergauf: 1160 m
bergab: 1110 m
Nach tiefem Schlaf frühstücke ich in einem ausserordentlich schönen Saal.
Ich lasse mir Zeit und geniesse die Ambiance dieses schönen Raumes; dazu erklingt tolle Jazzmusik, ganz nach meinem Geschmack.
So fahre ich erst ca. um 09.00 Uhr los, das ist für meine Begriffe ziemlich spät. Das Wetter ist viel besser als erwartet und so starte ich frohgemut in den neuen Tag. Beim Stadtausgang mache ich noch eine Foto des eindrücklichen Schlosses von Estavayer.
Die Tour beginnt gut, ich habe Rückenwind und fahre auf kleinen Nebensträsschen durch schöne Landschaften parallel zum Neuenburgersee.
Manchmal erhasche ich einen Blick auf den Neuenburgersee, der links von mir etwas tiefer liegt.
Schon bald überquere ich den Canal de la Broye, der den Murtensee mit dem Neuenburgersee verbindet.
Bei Ins, zwischen dem Neuenburger- und Bielersee gelegen, muss ich ein Anhöhe überwinden. Dafür habe ich einen schönen Blick zurück.
Wenig später fahre ich dem Bielersee entlang. Beim Hagneck-Kraftwerk mache ich einen kurzen Fotohalt. Hier wird das Wasser des Hagneck-Kanals zur Stromproduktion verwendet, bervor es in den Bielersee geleitet wird. Der Hagneck-Kanal ist eine Umleitung der Aare in den Bielersee.
Der Wind wird immer stärker, auf dem Bielersee haben sich Schaumkronen gebildet. Mutige Surfer und Kite-Surfer nutzen den heftigen Wind. Ich schau eine Weile lang zu und staune über die bis zu ca. 3 Meter hohen Sprünge der Kite-Surfer.
Die Stadt Biel umfahre ich leider, ich hätte sie mir auch gerne angeschaut, da sie aber etwas abseits der Veloroute liegt, lasse ich es bleiben. Stattdessen fahre ich nun dem Nidau-Büren-Kanal entlang, dem Abfluss des Bielersees, der sich bei Büren wieder mit der alten Aare vereint.
Meine Fahrradroute führt nun meist der Aare entlang, das Wetter ist immer noch gut und der Rückenwind ist mir eine grosse Unterstützung. So komme ich gut vorwärts und bin schon bald in Solothurn. Ich nehme mir hier ein wenig Zeit, um mich in dieser schönen Stadt umzusehen. Ich erinnere mich dabei an ein legendäres* Konzert mit dem Kammerchor der Musikakademie Basel in der eindrücklichen Kathedrale dieser Stadt, bei dem ich als Sänger mitwirkte (* Ich verrate hier nicht mehr, das würde den Rahmen dieses Blogs sprengen).
Ich gönne mir in dieser Stadt in einem Café einen Latte Macchiato und ein Stück Honig-Torte und sitze dabei wie viele andere draussen, obwohl es ziemlich kühl ist heute.
Das darauffolgende Wegstück führt weiter meist der Aare entlang; es gibt sehr schöne, aber auch weniger schöne Abschnitte hier.
Wenig später verlässt meine Radroute den Fluss und es geht ein Stück weit happig aufwärts und es ist dabei so steil, dass ich vom Velo steige und es schiebe.
Langenthal ist mein heutiges Etappenziel und ich frage mich, als ich mich nähere, weshalb ich gerade diesen Ort als heutiges Ziel gewählt habe. Nun, es lag genau in der Mitte zwischen Estavayer und Egg ZH, wo ich wohne. Immerhin, das Hotel, in dem ich übernachte, sollte sehr schön sein, wenn ich mich nicht von den Bildern auf booking.com habe täuschen lassen.
Kurz vor Ankunft decke ich mich noch mit Verpflegung ein, da ich wahrscheinlich abends nicht noch ein Restaurant suchen möchte; das Hotel-Restaurant ist leider geschlossen ist an diesem Sonntagabend.
Um 16.30 Uhr komme ich beim Hotel an.
Ein prächtiger Bau. Den Schlüssel zu meinem Zimmer nehme ich aus einer Safe-Box beim Hintereingang, da niemand da ist zum Empfang. Mein Zimmer ist sehr schön, aber das Beste ist der tolle Yamaha-Flügel in einer öffentlich zugänglichen Halle. Den muss ich doch ein wenig ausprobieren, es ist ja sonst niemand im Hause:
Es hat sich also doch gelohnt, in Langenthal abzusteigen. Die heutige Etappe war sehr schön, empfehlenswert vor allem der erste Teil der Strecke bis Solothurn.
Fakten Etappe 2: Estavayer – Langenthal
Strecke: 111 km
Fahrzeit: 6 Std. 50
Durschnittsgeschw.: 16.3 km/h
Bergauf: 990 m
Bergab: 970 m
Auf Velotouren schlafe ich meistens sehr gut. Abends falle ich sofort in Tiefschlaf, wenn ich zu Bett gehe und ich schlafe dann in der Regel wie ein Stein, bis mich der Wecker wieder aus meinen Träumen holt. Hier im schönen Hotel Bären in Langenthal war es auch genau so.
Reichlich verpflegt mache ich mich um 08.30 Uhr auf den Weg. Es ist grau und ein wenig trostlos zu Beginn, immerhin habe ich meist einen Velostreifen oder sogar einen Fahrradweg. Die Strasse führt mich in Richtung Aarburg, wo ich wieder den Aare-Radweg erreichen sollte.
In Aarburg bin ich wieder an der Aare und damit auf dem Aare-Radweg. Aarburg ist eine mächtige Festungsanlage, die im Mittelalter entstand und im 17. Jahrhundert zu einer 400 m langen Festung ausgebaut wurde.
Von hier fahre ich wieder ein längeres Wegstück der Aare entlang. Die nächste grössere Stadt ist Olten, die man vor allem als wichtigen SBB-Verkehrsknotenpunkt kennt. Die Altstadt von Olten ist aber auch sehenswert. Vor allem dieses geschichtsträchtige Haus hat es mir angetan:
Als ich Olten verlasse, überquere ich eine imposante Holzbrücke, die über die Aare führt.
Weiter gehts es auf zuweilen idyllischen Wegen der Aare oder Aare-Kanälen entlang. Nur die Sicht auf das immer noch aktive Atomkraftwerk Gösgen trübt ein wenig meine Stimmung. Gösgen gehört noch zu den relativ neuen Atomkraftwerken der Schweiz und wird deshalb wohl nicht so bald abgeschaltet.
Der Fluss der Aaare oder parallel zur Aare verlaufende Kanäle werden immer wieder von Flusskraftwerken „unterbrochen“. Hier laufen gerade vorbereitende Arbeiten für eine Erneuerung eines solchen Flusskraftwerkes. Was der Bagger wohl aus der Tiefe des Flusses holt?
Bald darauf erreiche ich Aarau, die Hauptstadt des Kantons Aargau. Da ich diese Stadt nicht wirklich kenne, gucke ich sie mir näher an und mache eine kurze Besichtigungsfahrt durch die kleine, aber sehr schöne Altstadt.
Ich suche ein Café, finde aber keines. Als ich schon weiterfahren möchte, entdecke ich eine kleine Crêperie – meine Rettung!
Der Kalorienschub verleiht mir neue Kräfte – es kann wieder weitergehen; nur hat dummerweise meine Navi-App Komoot eine kleine Krise, sie weigert sich ein geraumes Weilchen, mich zu orten und mich zu navigieren. Erst als ich die App neu starte, funktioniert’s wieder.
Das folgende Wegstück bis Brugg ist besonders schön und führt mich meist der Aare entlang.
Brugg ist ein auch herziges, kleines Städtchen. Ich mache schnell ein Bild, fahre aber bald wieder weiter.
Bald gelange ich in die Agglomeration von Baden. Diese Stadt ist geprägt durch die Firma ABB, die hier ihren Hauptsitz hat.
Baden, welches auch eine historisch interessante Stadt ist, lasse ich links liegen. Über Wettingen und Würenlos gelange ich in der Folge schon bald in den Kanton Zürich. Über das Furttal geht’s nun Richtung Zürich-Affoltern.
Es ist nun noch grauer geworden und als ich in Zürich-Affoltern bin, beginnt’s leicht zu tröpfeln. Ich erhöhe ein wenig das Tempo, ich will doch noch trocken nach Hause kommen. Über Oerlikon und Schwamendingen komme ich wieder in heimatlichere Gefilde. Besonders schön ist der Abschnitt dem Greifensee entlang.
Nun hab ich nicht mehr weit. Zuguterletzt wartet noch diese Steigung auf mich – die nehm‘ ich normalerweise locker, doch heute sind die Beine ziemlich schwer, weshalb ich das Fahrrad ein Stückchen schiebe.
Bald darauf bin ich wieder zuhause.
Ich hatte trotz schlechter Prognosen ziemliches Wetterglück auf dieser „Ersatztour“ quer durch die Schweiz. Und es war auch, alles in allem, eine sehr schöne Tour. Natürlich wäre ich lieber der Rhône entlang Richtung Mittelmeer gefahren, aber das war aufgrund der Corona-Situation mit den aktuellen Quarantäne-Bestimmungen und auch des „schlechten“ Wetters wegen nicht ratsam. Bestimmt aber werde ich die Rhône-Tour auch irgendwann mal noch nachholen – aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Fakten Etappe 3: Langenthal – Egg b. Zürich
Strecke: 111 km
Fahrzeit: 6 Std. 29
Durschnittsgeschw.: 17.1 km/h
Bergauf: 990 m
Bergab: 960 m